Carl Benz, Gottlieb Daimler, Ferdinand Porsche, Niki Lauda, Michael Schumacher – die Liste berühmter Autofahrer ist schier endlos. Wer jetzt jedoch denkt, Autofahren sei Männerdomäne, hat weit gefehlt. Denn zwei der wichtigsten Autofahrten der Geschichte haben Frauen gemacht.

Es begann 1888, genau vor 125 Jahren. Und es begann mit einer Verschwörung. Bertha Benz wollte von Mannheim nach Pforzheim, um ihre Mutter zu besuchen. Und sie wollte die Reise nicht im Zug und nicht in der Kutsche antreten. Carl Benz hatte zwei Jahre zuvor das erste Automobil zum Patent angemeldet. Seine Erfindung erregte viel Aufsehen, nur durchsetzen konnte sie sich nicht. Das Automobil galt als noch nicht ausgegoren und für lange Strecken ungeeignet. Kein Wunder also, dass Berthas Mann ihr so eine lange Fahrt nie erlaubt hätte. Deshalb standen Bertha und ihre beiden Söhne um 3 Uhr frühmorgens auf, als das Familienoberhaupt noch schlief, und fuhren los. Es sollte die erste Überlandfahrt in der Geschichte des Automobils werden.

Bis zu diesem 4. August 1888 war Autofahren etwas für kurze Strecken auf ebenen, festen Straßen. Und bis dahin hatten sich nur Männer getraut, diese stinkenden, öligen „Hexenkarren“ zu lenken. Autofahren war damals noch eine schmutzige Angelegenheit. Die Ungetüme zu lenken oder gar nur zum Laufen zu bekommen, war körperlich anstrengend. Blutige Hände vom Starten mittels des Schwungrads und verbrannte Beine, weil heißes Motoröl durch den Motorraum spritzt, waren damals keine Seltenheit – und nicht besonders damenhaft. Aber Bertha Benz kämpfte. Führten die erdigen, teilweise matschigen Straßen beispielsweise bergauf, hieß es für sie und ihren älteren Sohn Richard: schieben, schieben, schieben. „Unterwegs hatten wir ausgiebig Rast gemacht, denn ich wollte so schmutzig wie wir geworden waren, nicht bei Helligkeit in Pforzheim ankommen.“ Zwei Pannen hatte es auf der Fahrt gegeben, bei denen die Herren der Schöpfung wohl aufgeschmissen gewesen wären: „Das eine Mal war die Benzinleitung verstopft – da hat meine Hutnadel geholfen. Das andere Mal war die Zündung entzwei. Das habe ich mit meinem Strumpfband repariert“, erzählte Bertha Benz später. Als die pfiffige Autopionierin nach der anstrengenden Reise in Pforzheim ankam, war ihre Mutter allerdings verreist. Dennoch stand die ganze Stadt kopf und alle wollten mit „Benzine“ fahren, wie der Wagen von den Einheimischen genannt wurde. Bertha bliebt drei Tage in der Stadt, bevor sie sich wieder auf den Rückweg machte. Die Überlandfahrt sprach sich herum und das Auto konnte hernach seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben.

Immer die Ersten

So alt wie Berthas Überland-Benz, der heute noch im Londoner Science Museum zu bewundern ist, ist auch der Streit darüber, wer denn nun besser fährt: Frau oder Mann. Fest steht, dass es Frauen waren, die das Autofahren professionalisiert haben. Die französische Herzogin Anne D’Uzès war 1898 der erste Mensch, der eine Führerscheinprüfung abgelegt hat – Punkt für die Frauen also. Trotz aller Begeisterung der Damen für die technischen Wunderwerke, herrscht bei den Männern zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch immer Skepsis gegenüber Frauen am Steuer. So schreibt etwa die Allgemeine Automobil-Zeitung 1902: „Man darf wohl, ohne ungalant zu werden, die Behauptung wagen, dass sich bei den wenigsten Vertreterinnen des zarten Geschlechts jene Eigenschaften finden, die eine gute Automobilistin unbedingt haben muss: Kaltblütigkeit, rasches Auffassen der Situation, blitzartiges Entschließen, Vorsicht, Niederzwingen des in jedem Automobilisten schlummernden Schnelligkeitswahnsinns.“ Frauen sind also nicht in der Lage, langsam Auto zu fahren? Gewagt These, jedoch ebenfalls von Herzogin d’Uzès bestätigt. Sie war nämlich auch die erste Person, die einen Strafzettel für zu schnelles Fahren bekommen hat. Auf unglaubliche 15 Stundenkilometer hat sie ihren Boliden in Paris hochgejagt. Erlaubt war lediglich Tempo 12. Wie das damals gemessen wurde, ist leider nicht überliefert. Klar ist nur: Punkt für die Männer.

Einmal um die ganze Welt

Auch in der weiteren Geschichte des Automobils waren es meist die Frauen, die Maßstäbe setzten und an seine Zukunft glaubten, während bespielsweise Kaiser Wilhelm II. zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch wähnte: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Eine ganz besondere Wegbereiterin für die glänzende Automobilzukunft war Clärenore Stinnes, Tochter des Großindustriellen Hugo Stinnes. Clärenore war wohlhabend, eine Tochter aus gutem Hause, und hätte ein langweiliges, sorgenfreies Leben führen können. Stattdessen liebte sie das Abenteuer und wollte zeigen, dass Frauen zwar grundsätzlich nicht besser sind als Männer, „aber mindestens genauso gut“. Ihre Liebe zum Automobil erkannte sie früh. Mit 24 fuhr sie ihr erstes Rennen und wurde prompt Dritte. Mit zahlreichen Siegen in den darauffolgenden Jahren stieg sie bald zur besten Rennfahrerin Europas auf – und das „trotz aller Mühe, die meine Mutter anwandte, um in mir die Liebe zu fraulichen Arbeiten zu wecken“, wie sie später schrieb.

Originalbild: Carl-Axel Söderström und Clärenore Stinnes

Berühmtheit erlangte sie mit der ersten Weltumrundung mit dem Automobil. Mit dem Fotografen Carl-Axel Söderström, den sie erst kurz vor der Abfahrt kennen gelernt hatte, zwei Technikern und einem Begleitlastwagen startete sie am 25. Mai 1927 in einem serienmäßigen Adler Standard 6 mit 35 PS die abenteuerliche Reise. Die Strecke fürte von Frankfurt am Main über Damaskus nach Moskau. Dort gaben ihre beiden Techniker auf. Stinnes und ihr Fotograf blieben jedoch standhaft und fuhren weiter durch Sibirien. Die Reise war nervenaufreibend. In der Mongolei gerieten sie mit Räubern aneinander, bevor sie die Fahrt nach Peking fortsetzen konnten. Weiter mit dem Schiff über Japan und Hawaii nach Amerika. Durch die USA ging die Reise über Washington D.C., wo die patente Fahrerin so viel Aufsehen erregte, dass es sich sogar Präsident Herbert Hoover nicht nehmen ließ, sie zu empfangen. Zurück nach Europa ging es wieder mit dem Schiff. Stinnes und Söderström, die später heiraten sollten, legten in Le Havre an und fuhren weiter nach Berlin. Nach genau 46.758 gefahrenen Kilometern erreichten sie am 24. Juni 1929 die Hauptstadt. Zwei Jahre und einen Monat waren sie unterwegs gewesen.

Nur ein Mädchen

Selbst nach Stinnes‘ beeindruckender Reise hat es noch Jahrzehnte gedauert, bis Frauen hinterm Steuer nicht nur auf Werbeplakaten zum Alltag gehört haben. Zumindest auf deutschen Straßen. Noch immer gibt es Länder, in denen es Frauen bei Androhung von harten Strafen verboten ist, Gas zu geben. Allen voran Saudi-Arabien. Damit sich etwas ändert, bedarf es mutiger Frauen wie Bertha Benz und Clärenore Stinnes. „Leider nur ein Mädchen“, hatte die Mutter von Bertha in die Familienbibel geschrieben, nachdem sie ihre dritte Tocher zur Welt gebracht hatte. Ein Ansporn für die junge Frau, Großes zu leisten. Auch ohne Hutnadel und Strumpfband: Die Autowelt wäre ohne Frauen um einiges ärmer.

 

Text: „Frau Benz und Fräulein Stinnes machen eine Reise“, in: Meisterheft – Das Magazin für Kunden von Meisterhaft – 1/2013, S. 10-12.

Bilder: http://www.mercedes-benz-classic.com/ ; http://www.fraeulein-stinnes.de/